Joseph Schlett (GND 100329632)

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Daten
Nachname Schlett
Vorname Joseph
GND 100329632
( DNB )
Wirkungsgebiet Kunst


Joseph Schlett in der BSB

Schlett, (Joseph), ist zu Wasserburg am Inn (im Isarkreise) geboren. Schon als Kind verlor er seine Aeltern, und fand durch seine Stimme und sein Orgelspiel, worinn er sich sehr frühe die nöthige Fertig- und Geschicklichkeit erwarb, in Klöstern und Seminarien, diesen ehemaligen Pflanzschulen der Musik und des übrigen wissenschaftlichen Unterrichts, sein Fortkommen. Nachdem er alle Gymnasial-Klassen, und die der Philosophie und Phisik mit großem Ruhme durchgewandert, und sich unter seinen Mitschülern vorzüglich ausgezeichnet hatte, begab er sich nach Ingolstadt, wo er aber das Studium der Jurisprudenz nicht ganz vollenden konnte, weil sich verschiedene Hindernisse seinem Vorhaben entgegenthürmten. Ein im Jahre 1794 oder 95 den Tonkünstlern Deutschlands öffentlich ausgesetzter Preis für den höhern Stil, wobei auch die Fuge zur Bedingniß gegeben ward, hat ihn der musikalischen Welt bekannter gemacht. Er befand sich um eben diese Zeit in München, wo er eine kleine Stelle an der Hofkirche zum heil. Michael erhalten hatte, die ihn verpflichtete daselbst die Orgel zu spielen, und den Zöglingen des Seminars Unterricht im Generalbasse und den Anfangsgründen der Tonsetzkunst (Komposition) zu geben. Mancher guter Tonkünstler hat sich daselbst unter seiner Anleitung gebildet, oder doch den Impuls zum fernern Nachdenken in einer Kunst erhalten, die ohne Nachdenken so wenig leistet. Nebst diesem erwarb sich Schlett vorzüglich philologische Kenntnisse, und zeichnete sich mitunter hierinn auch dadurch aus, daß er eine französische Sprachlehre schrieb, die lange Zeit in den baierischen Schulen als Lehrbuch eingeführt war, und sich als gut und gründlich verfaßt bewährt hatte. Eben diese Kenntnisse verschaften ihm ein Lehramt an dem Königl. Edelknaben-Hause in München. Diese seine Berufsarbeiten, die der gelehrten Welt und dem Geschäftsmanne hinlänglich bekannt sind, und deren hier zu erwähnen, weder Ort noch Raum gestattet, hinderten ihn aber auch in der Musik in jenem Maaße zu wirken, in dem zu wirken er selbst gewünscht hätte, und jeder Tonkünstler und Kenner zum Frommen der Musik noch wünscht. Das sogenannte Brodstudium, die Arbeiten des Berufes stämmen sich dem Genie oft mächtig entgegen, und verengen dessen Wirkungskreis im Gebiete der Kunst; allein plötzlich bricht das Genie durch, benützt seine Freistunden, und eine rastlose Thätigkeit, ein ausharrender Fleiß, verstärkt durch die Liebe zu Kunst, besiegt endlich alle Hindernisse, und macht es zum Meister seiner Zeit. Das galt auch bei Schlett. Neben der sogenannten Preiskomposition -es war der Psalm Magnificat, von dem die bessern Stücke im Stiche herausgekommen -- sind von ihm zwei Sonaten für die Harmonika und zwei italienische Canzoni: Il Sogno und L’amor timido, welche beide vom Metastasio gedichtet, und von ihm für eine Singstimme und das Klavier komponirt wurden, rühmlich bekannt, und wurden bei Hertel und Breitkopf in Leipzig herausgegeben.

Früher schon schrieb er für die Hofkirche zum heil. Michael in München zwei große Messen, eine Vesper, den Psalm Miserere, dann in der Folge noch andere Kirchen-Musiken, die nicht nur seine Profundität im Satze, seine praktische Gewandheit in Behandlung der Singstimmen und der Instrumente darthun, sondern auch seinen Geschmack, seinen edlen, wahren und erhabenen Stil, seine Fülle schöner und melodischer Gedanken, seine Originalität, kurz den wahren Tonkünstler, den großen Meister bewähren. Gleichen Ruhm behaupten auch seine vierstimmigen Gesänge, die er für die heil. Woche und andere ähnliche Kirchenfeste verfertigte, und die noch immer in dieser Kirche mit allgemeiner Bewunderung gesungen werden.

Schlett, der sich als einen Gelehrten und vortrefflichen Musiker bisher immer bewies, gehört unter die seltnen Tonkünstler, die gründliche Theorie, tiefe Einsicht in die Misterien der Musik mit eben so großer Praktik verbinden, von denen die Tonkunst sich vieles versprechen darf, von deren Genie, ausgebreiteten Kenntnissen und ausdauerndem Fleisse zu erwarten berechtiget ist. Er, und vielleicht nur er, ist im Stande sein Vaterland mit einer kritischen Geschichte der Tonkunst zu beschenken, und so demselben ein ehrenvolles Denkmal zu gründen; Tonkünstlern, Kennern und Musikfreunden aber ein Buch in die Hände zu geben, das belehrt, nützt, und unterhält. Seiner großen Liebe und Neigung zur Tonkunst, dann seinen großen musikalischen Kenntnissen, und überhaupt seinem Genie und Fleisse darf man es zutrauen, daß dieser würdige Mann seine so ruhmvoll betrettene musikalische Laufbahn noch nicht beschlossen habe.


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