Johann Evangelist Walleshauser (GND 119392976)

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Daten
Nachname Walleshauser
Vorname Johann Evangelist
GND 119392976
( DNB )
Wirkungsgebiet Kunst


Johann Evangelist Walleshauser in der BSB

Walleshauser, genannt Valesi, auch Walesi, (Johann Evangelist), ein Bauers-Sohn von Unterhattenhofen, Landgerichts Dachau (im Isarkreise), wo er den 28. April 1735 geboren worden, wurde vom Pfarrer zu Ginzelhofen, Grafen von Valvasoni an Kindesstatt (adoptirt) angenommen, und von demselben für die Wissenschaften bestimmt, daher er ihn in den Anfangsgründen der gelehrten Sprachen unterrichten ließ, dann aber nach München schickte, um am dortigen Schulhause den Studien sich zu widmen. Walleshauser zeichnete sich daselbst immer unter den Ersten seiner Mitschüler aus; allein plötzlich war er des Studierens überdrüßig, wozu folgendes Ereigniß die Veranlassung gab. Als Famulus des jungen von Werner verfertigte er demselben öfters die Schulaufgaben auf dessen Ersuchen. Der Professor Bäumle, ein Jesuit, der dieses wahrgenommen hatte, bestrafte den Famulus dadurch, daß er, und zwar öfters, den von Werner unter die Ersten, den Walleshauser aber unter die Letzten (nach damaliger Schulsprache zu reden) versetzte. Diese Behandlung des Professors kränkte ihn nun dergestalt, daß er das Schulhaus in geheim verließ, und bei einem reichen Bauern, unweit Landsberg, als Roßbube Dienste nahm, ihm selbst aber Geburtsort und Namen verschwieg, u. sich Johann Unglück nannte. Da Walleshauser dieses Bauers Kinder im Christenthume, im Lesen und Schreiben, dann in der Rechenkunst unterrichtete, so war der Bauer mit ihm sehr zufrieden, und gewann ihn dergestalt lieb, daß er und sein Weib ihn als ihren Sohn annehmen wollten; als plötzlich Walleshauser durch seinen Bruder auf dem Felde, wo er eben Rüben auszog, erkannt, und von demselben nach Hause zum Vater genommen wurde. Der Pfarrer, Graf von Valvasoni, befragte ihn nun über die Ursache seiner Entweichung, und Walleshauser gestand dieselbe offenherzig mit dem Beisatze, daß er nicht fortzustudiren, sondern die Musik zu erlernen wünschte. Der Pfarrer führte ihn zum Fürstbischöflichen Kapellmeister v. Cammerloher, der ihn prüfte, und ein gutes Gehör, und überhaupt Anlage zur Musik an ihm wahrgenommen hatte. Nun kam er in dieses Kapellmeisters Haus, und erlernte die Musik. Anfangs bildete er ihn zu einen Baßsänger; allein nach dem 18ten Jahre änderte sich seine Stimme, und v. Cammerloher fand für gut, ihn zum Tenor übergehen zu lassen.

Da er bedeutende Fortschritte in der Musik, vorzüglich aber in der Singkunst gemacht hatte, so stellte ihn der Kardinal und Fürstbischof von Freising und Regensburg, Johann Theodor, Herzog von Baiern etc. als Hofsänger an. Im Jahre 1755 erhielt er den Ruf nach Amsterdam, um daselbst mehrere Cantaten und Concertant-Arien in Konzerten zu singen, dem er folgte, und daselbst großen Beifall erhielt. Auf seiner Rückreise begab er sich zu den oben genannten Kardinal nach Lüttich, (dieses Bisthum erhielt höchstderselbe 1744) und sang dortselbst ebenfalls Cantaten und Bravour-Arien in Konzerten zu jedermanns voller Zufriedenheit. Nun verbreitete sich dieses guten Sängers Ruhm auch in der Ferne, und so wurde er nach Nanci eingeladen, um dort ebenfalls zu singen. Walleshauser begab sich dahin, ärndete wiederholt ungetheilten großen Beifall; und gieng dann über Frankfurt am Main, wo er ebenfalls mit allem Lobe in Konzerten sang, und seinen Lehrer den Kapellmeister von Cammerloher antraf, in Gesellschaft desselben nach Freising zurücke, von welchem Hofe er 1756 in die Dienste des Herzogs Clemens von Baiern nach München als Kammersänger kam, und dann 1757 in der großen italienischen Oper[1] Belerofonte zum ersten Mal mit allgemeinen Beifalle sang und spielte. Um seiner schönen Tenor-Stimme, und überhaupt seinem großen Musiktalente eine höhere Ausbildung zu geben, auch ihn der italienischen Sprache mehr mächtig zu machen, schickte ihn Herzog Clemens aus Baiern nach Padua, wo er in mehreren Opern mit ausgezeichnetem Beifalle auftrat, und die Italiener sich verwunderten, wie es möglich seye, daß aus einem Deutschen ein so vorzüglich guter Sänger werden könnte.

Mit Ehre bedeckt kehrte nun Walleshauser aus Italien an seinen Hof zurücke, wo ihm Herzog Clemens bei seiner Zurückkunft den Namen Valesi gab, und so dem Vorurtheile zu steuern suchte, als ob nur Italiener gute Sänger seyn könnten. Geliebt, geachtet, und mit Gnaden beschenkt, verlebte Valesi glückliche Tage am Hofe dieses Herzogs, den der Tod 1770 dahin rafte. Aber Churfürst Maximilian III. jener erhabene, große und mächtige Schützer der Künste und Wissenschaften gab nicht zu, daß ein so vortrefflicher Sänger, und ein geborner Baier, wie Valesi war, in fremden Staaten sein Brod suchen sollte, und stellte ihn daher an seinem Hofe als Kammersänger an. Kaum hatte er ein Monat in dieser Eigenschaft Dienste gemacht, als er einen Ruf nach Florenz erhielt, um dort als erster Tenorist in der Oper Ezio zu singen. Mit Erlaubniß seines Churhofes begab er sich dahin, trat in der Oper auf, und erwarb sich solch’ großen Beifall, daß nach damaliger Gewohnheit, ein Lobgedicht (Sonette) über seinen vortrefflichen Gesang, seine schöne volle Stimme, und sein gutes Spiel in den Druck gelegt wurde, und er dort nach Siena die Einladung erhielt, um ebenfalls in der Oper zu singen. Auch hier erwarb er sich sehr große Ehre, auch hier ward seine Kunst von Dichtern besungen, und da sein Ruhm in ganz Italien sich allmälig verbreitet hatte, so reiste der berühmte Sänger Tibaldi von Rom nach Siena, um den Valesi in der Oper singen zu hören, dem er auch so wohl gefiel, daß er nach geendeter Oper auf das Theater kam, dem baierischen Sänger seinen Beifall eröffnete, und ihm versicherte, daß er seinen Landsleuten sehr viele Ehre mache. Nun kamen von allen Seiten Briefe an Valesi, um ihn einzuladen in Opern aufzutreten, und er sang und spielte auf den ersten Theatern von Mailand, Parma, Genua, Turin, Rom und Venedig, in welch letzterer Stadt er auch Unterricht in der Singkunst, und hierunter der nachhin berühmten Sängerinn Bianca Sacchetti gab, zur vollen Zufriedenheit der Italiener, mit ungetheilten großen Beifalle zu seiner und seines Vaterlandes unsterblicher Ehre. Nach fünf Jahren verließ er nun dieses Land der Musik, und gieng nach München zurücke, wo er sich den Haß der italienischen Hofsänger wegen des erhaltenen großen Beifalles in Italien zugezogen hatte, die ihn daher bei jeder Gelegenheit zu necken, und ihr Müthchen unter andern auch dadurch zu kühlen suchten, daß sie behaupteten: ein deutscher Sänger könne sich nie das Melodische und Sonore der italieschen Sprache eigen machen, verstünde das recitiren nie, wäre überhaupt zu hart im Vortrage, nicht fliessend genug im Gesange u. s. w. Valesi war müde des immerwährenden Tadels und Neckens, und brach endlich in die Worte aus: ihr nennt euch Virtuosi di camera, ohne dieses im Grunde zu seyn, denn ihr könnt vom Blatte nicht mit der erforderlichen Empfindung, mit gehörigem Portament der Stimme etc. wegsingen; ich kann das, und schreibe mich indessen nur Kammersänger, und gebe mich für keinen Virtuosen aus. Die italienischen Sänger erhitzt hierdurch, forderten Beweise, und Valesi zog aus seiner Tasche ein Stückchen Papier, und schrieb:

Nun sagte er: singt dieses mit gehöriger Empfindung nach den verschiedenen Situationen und Affekten, z. B. als Liebhaber, der sich im Schmerze von seiner Geliebten scheidet; dann als Liebhaber, der im Zorne, aus Eifersucht sich von ihr trennt; als Held, der abreiset, um in den Krieg zu ziehen, und das Vaterland zu schützen u. s. w. Jeder versuchte dieses; keiner genügte. Der Streit wurde nun hitziger, lauter, und das Geschrei drang in des Churfürstens Kabinet, der sich die Veranlassung hievon vortragen ließ, und ihn damit beschwichtigte, daß er befahl: im nächsten Hofkonzerte soll jeder Sänger eine italienische Arie, die mit Parto anfängt, singen, das auch geschah. Im Jahre 1777 unternahm Valesi eine Reise nach Prag und Dresden, sang daselbst mit allem Beifalle in Kirchen, und gieng dann nach Berlin, wo er vier Mal im Kabinette König Friederich des Einzigen sang, und Dessen Beifall in solch hohem Grade erhielt, daß er ihm sogar seine Dienste antragen ließ, die sich aber Valesi aus dem Grunde verbat, weil er nie gedächte seinen Herrn und sein Vaterland zu verlassen. Auf seiner Zurückreise nach München, sang er im Kabinete des Hrn. Herzogs von Sachsen-Weimar Durchl. und erhielt auch dort den verdienten großen Beifall.

Als er 1778 nach München zurückkam, trat er daselbst in Opern mit dem größten Beifalle wieder auf, sang auch in Oratorien[2], in Hofkonzerten, und in der Hofkapelle, erhielt aber keine Bewilligung mehr zum Reisen, ungeachtet er von Paris und Wien Einladungen erhielt, um daselbst in Opern zu singen, daher er dahin seinen Schüler Adamberger empfahl, der auch in diesen Städten, der Empfehlung seines Lehrers würdig, mit aller Ehre auftrat. Im Jahre 1798 kam endlich der verdienstvolle Valesi in Pension, weil seine Stimme sich verlor, veranlaßt durch einen Stoß, den ihm ein Soldat von ungefähr auf einem Freiballe auf die Brust versetzte.

Valesi hat große Verdienste um die Musik sich erworben, denn da er auch im Seminar zu München Unterricht in der Singkunst gab, so bildete er über 200 Sänger und Sängerinnen, die theils an Höfen, theils in den Klöstern, und theils als Chorregenten und Sänger in Kirchen ihre Versorgung fanden, und worunter mehrere sich vorzüglich auszeichneten und einen großen Ruhm erhielten. Die meisten derselben unterrichtete er sogar unentgeldlich, und sah sich belohnt genug, wenn sie durch die bei ihm erlernte Singkunst sich Ehre und Versorgung erwarben. Einige seiner Schüler und Schülerinnen hier zu nennen, möchte vielleicht willkommen seyn. a) Adamberger, (auch Adamonti). b) Der churmainzische Hoftenorist Dorsch. c) Der churcölnische Hoftenorist Bernhard Heller. d) Der Fürstl. Eichstädtische Hoftenorist Joseph Sutor. e) Die Königl. b. Hofsängerinn Marianne Noder, vereheligte Reger, die er als Kind von 8 Jahren unterrichtete. f) Die Königl. baier. Hofbassisten Philipp Sedlmayr und Schröffl. g) Der churtrierische Hoftenorist und erster Kammerdiener Lindpeitner in Augsburg, u. s. m.

Diese kurze biographische Skizze mag genügen, um diesen großen Künstler nicht nur als einen vortrefflichen Sänger, sondern auch als einen guten, biedern Baier zu bewundern, und dankbar sein Angedenken unter uns erhalten!


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Fußnoten

  1. Während des Carnevals wurde am churbaierischen Hofe zu München alle Jahre eine große italienische Oper gegeben. Der Tag der Vorstellung war gewöhnlich jederzeit am Mondtage. Der Zutritt war unentgeldlich, daher Eintritts-Billiete abgegeben wurden, die nicht nur Adelige und Honoratioren, sondern auch Leute aus der Bürgerklasse, und selbst aus dem Bauernstande erhielten. Vorzüglich mußten angekommenen Fremden zuverläßig Eintritts-Billiete unentgeldlich, wie allen übrigen, zugestellt, und ihnen der Zutritt erleichtert werden. Zum Behufe dieser Opern hat Baierns Churfürst, Maximilian Joseph, 1752 ein neues Opernhaus an seiner Residenz durch seinen Hofbaumeister, Franz de Couvilier, erbauen lassen, das sich durch Pracht vorzüglich auszeichnet. Meinbaier. Künstler-Lexikon. B. I. S. 42.
  2. Unter den während der Regierung des Churfürstens Maximilian Joseph zu München aufgeführten Oratorien sind vorzüglich bekannt: a) Betulia liberata, mit Musik von Bernasconi. b) Abraham, von Naumann. c) Abraham, von Graun. d) Gios, Re de Guida, von Wagenseil, und das nämliche Süjet auch mit Musik von Michl. e) La Passione di Giesu Christo, von Jomelli, und das nämliche Süjet auch vom Misliwezeck in Musik gesetzt. f) L’assilo della fede, von Chiarini. g) Il Tobias, von Misliwezeck. h) La morte d’Abel, von Guiseppe Zonca.