Wilhelm Ludwig Weckhrlin (GND 118806580)

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Daten
Nachname Weckhrlin
Vorname Wilhelm Ludwig
GND 118806580
( DNB )
Wirkungsgebiet Kunst


Wilhelm Ludwig Weckhrlin in der BSB

WECKHRLIN (Wilhelm Ludwig) zu Ansbach. Er wurde den 7. Julius 1730 zu Bothnang im Würtembergischen gebohren, wo sein Vater, der nachher nach Obereßlingen kam, evangelischer Prediger war. Er besuchte kurze Zeit die Schulen in Stuttgart, und fieng dann zu Tübingen an, die Rechte zu studiren, gab sie aber bald auf, und übernahm in Strasburg eine Hauslehrersstelle, die er nicht lange behielt. Er gieng nach Paris, wo er einige Jahre zubrachte, sich mit der französischen Literatur genau bekannt machte, übrigens aber den leichtsinnigsten Lebenswandel führte, und sich, da er gar kein Privatvermögen besaß, zu jedem Dienst und jedem Broderwerb erhob, oder erniedrigte, der sich ihm nur darbot. Hierauf begab er sich nach Wien, wo er in den Buchhandlungen Correkturen und Uebersetzungen besorgte, mit grossem Beifall aufgenohmene Aufsätze für Tagesblätter, Gelegenheitsgedichte, und Prologe für die Theater schrieb, dann Privatunterricht in Sprachen gab, und wo er anständig hätte leben können, wenn er sich auch anständig betragen hätte. Allein sein vorzüglichster Umgang war mit Spielern, Müssiggängern, und Freudenmädchen; über die vortrefflichen Institute und Anstalten der Kaiserstadt verfaßte er Schmähschriften, und auf die würdigsten Männer elende Pasquille. Die Herausgabe seiner berüchtigten sogenannten Denkwürdigkeiten von Wien hatte zur Folge, daß er ein halbes Jahr in Arrest lag, und dann aus den Kaiserlich Oesterreichischen Staaten verwiesen wurde. Er gieng nun nach Regensburg, blieb daselbst nicht lange, und zog nach Augsburg, wo er als ein Wunderthier von Genie angestaunt ward, und wo man ihn an allen Tafeln und in allen Zirkeln haben wollte. Er war auch wirklich ein sehr angenehmer, geistreicher Gesellschafter, im Erzählen hinreissend, und ganz unerschöpflich in witzigen Einfällen. Er wußte seine Talente geltend und glänzend zu machen, überall die Weiber für sich zu gewinnen, und von den Männern bedeutende Geldunterstützungen zu erhalten. Doch bald machte er eben auf Diejenigen, denen er grosse Verbindlichkeiten schuldig war, Pasquille, und wurde gezwungen, Augsburg zu verlassen. Er begab sich nach Nördlingen, und schrieb unter dem Titel: Anselmus Rabiosus Reise, eine, vorzüglich gegen die Augsburger gerichtete, Schmähschrift. Dieselbe wurde zwar confiscirt, fand aber in ganz Teutschland ungemein starken Abgang. Auch in Nördlingen, wo Weckhrlin gastfreundlich empfangen, und mit Güte überhäuft ward, dauerte es nicht lange, daß er seine Wohlthäter, und den ganzen Stadtmagistrat beleidigte und beschimpfte, und daher auch aus Nördlingen verwiesen werden muste. Er gieng itzt nach Baldingen, einem fürstlich Wallersteinischen Dorfe, und hier lebte der excentrische Mann, der, sich selbst zugezogenen, Stürme des Lebens überdrüßig, eine Zeit lang in der Stille. Er fieng eine periodische Schrift unter dem Titel Chronologen an. Witz, Laune, und Freimüthigkeit, die oft in Muthwillen ausartete, verschaffteen derselben eine Menge Leser in allen Gegenden Teutschlands, Anhänger und Freunde, auch heftige Gegner, und kritische Beurtheiler, welche zwar die Talente eines geistreichen Mannes in ihm nicht verkannten, und sich von ihm gern auf seine ganz besondere Art über interessante Gegenstände unterhalten ließen, ohne es jedoch zu übersehen, daß es ihm an Schulstudien, an gründlichen Kenntnissen, und an ruhiger Erforschung der Wahrheit gebrach. Die Fortsetzung der Chronologen unter den Titeln: Graues Ungeheuer, Hyperboräische Briefe, und Paragraphen, fand weniger und zuletzt gar keinen Beifall mehr. Zu Baldingen lebte Weckhrlin übrigens ganz nach seinem Sinne, spottete von seiner Einsamkeit aus über Alles, und neckte Alles, so weit er nur reichen konnte. Sein Anzug bestand immer in einem grossen Tyrolerhut; das Halstuch, vorn in einen Knoten geschlungen, hieng über die ganze Brust herab; an seinem Rocke konnte man kaum noch die ursprüngliche Farbe erkennen; seine Strümpfe waren über die Beinkleider heraufgezogen, und von aussen durch breite Kniebänder gehalten; seine Schuhe waren mit einem zerlumpten Bande gebunden. In seiner zwar geistreichen, aber faunischen Gesichtsbildung herrschte ein schneidendes spottendes Lächeln. Gegen Dürftige war er wohlthätig, mit gemeinen Leuten gern vertraulich, gegen Fremde ungemein artig, und im höchsten Grade freigebig. Zugleich besaß er die reitzbarste Empfindlichkeit, eine Rachsucht ohne Gränzen, und seinem Witze huldigte er unbedingt, selbst auf Kosten seiner Freunde. Von seinen Jünglingsjahren an uberließ er sich den rohesten sinnlichen Ausschweifungen, und erst, als seine Gesundheit dadurch zu Grunde gerichtet war, fieng er an, mäßiger zu leben. Doch betrank er sich noch manchmal so sehr, daß er keinen Weg mehr fand, und daß ihn seine Magd aufsuchen, mit Mühe aus einem Graben, oder einer Pfütze ziehen, und nach Hause führen muste. Da er eine grobe Schmähschrift gegen den Nördlingischen Magistrat drucken ließ, wurde dieselbe in Nördlingen öffentlich verbrannt, und auf Requisition des Magistrats kam Weckhrlin auf das fürstlich Wallersteinische Oberamtsschloß zu Hochhaus, wo er gegen vier Jahre lang ganz ruhig seinen Schriftstellerischen Arbeiten lebte, sich mit der neuesten französischen und teutschen Literatur bekannt machte, und eine ansehnliche Bibliothek sammelte. Er wählte hierauf Ansbach zu seinem Aufenthaltsorte, und starb daselbst den 24. November 1792. Das Bildniß dieses merkwürdigen, originellen, aber durchaus Niemanden als Muster und Vorbild zu empfehlenden, oft gelobten, öfters, und zwar mit Recht, getadelten, Mannes wurde von Küfner, und von Hessel in Kupfer gestochen. Seine Schriften;

Vergl. Rötger’s Nekrolog St. II. S. 191. St. III. S. 271. u. St. IV. S. 255. Haug’s gel. Würtemberg S. 252. Oberteutsche allg. Literaturzeitung 1792. St. 61. Moser’s Sammlung von Bildnißen gel. Männer 1793. H. XI. Monathschrift teutsche 1794. St. 6. Meusel’s Lexikon verst. Schriftst. B. XIV. S. 435. Schlichtegroll’s Nekrolog auf das J. 1792. B. II. S. 263. u. Supplementband auf die Jahre 1790--1793. Abth. 1. S. 250-265. Hirsching’s Handbuch fortges. von Ernesti B. XVl. Abth. 1. S. 38. Repertorium allgem. der Lit. 1785--1795. Zapf’s Augsburg. Bibliothek B. I. S. 134. Vocke Ansbach Geb. u. Todtenalmanach Th. II. S. 19. u. 322. Jörden’s Lexikon teutscher Dichter u. Prosaisten B. V. S. 207--242. Conversations-Lexikon, Leipz. 1819. B. X. S. 504. Ladvocat’s Handwörterbuch B. VIII. S. 900. Bougine Handbuch B. V. S. 59. u. Supplement II. S. 346.

  1. 1.* Caraibische Briefe. 8. Ohne Druckort u. Jahrzahl.
  2. 2.* Denkwürdigkeiten von Wien. Ohne Druckort. 8. 1777.
  3. 3.* Anselmus Rabiosus Reise durch Oberteutschland. 8. Salzburg u. Leipzig (Nördlingen) 1778. 3 Auflagen. Nachgedruckt zu Nürnberg, zu München, u. an andern Orten. Es erschien dagegen: Bemerkungen über Anselmus Rabiosus Reise. 8. Ohrdruf. 1778.
  4. 4. Felleisen. 4. Nördlingen 1778. War der Anfang einer politischen Zeitung, die bald wieder aufhöorte.
  5. 5. Chronologen; ein periodisches Werk. Zwölf Bände, jeder von 3 Stücken. 8. Frankf. u. Leipz. (Nürnberg b. Felsecker). 1779--1781. s. Goth. gel. Z. 1779. St 27. S. 217.
  6. 6. Ueber Wassers zwote Verurtheilung; von einem Unbekannten. Herausgegeben von dem Verfasser der Chronologen. 8. 1781.
  7. 7. Taschenbuch der Philosophie auf das Jahr 1783. Mit Kupfern. Nürnberg 12. 1782.
  8. 8. Die Eremitage, oder Nichts ohne zureichenden Grund. Mit Weckhrlins Prolog. 8. Frankfurt 1782.
  9. 9. Das graue Ungeheuer. Zwölf Bände. Nürnberg. 8. 1784--1789. Es erschien später: Das neue graue Ungeheuer, von einem Freunde der Menschheit 8. Upsala 1795. [1]
  10. 10. Eine 1788 in Strasburg gedruckte Schmähschrift auf den Nördlingischen Magistrat, einige, auf halben und ganzen Bogen gedruckte, Pasquille, und seine vielen einzelne, teutsche und französische, Gelegenheitsgedichte sind nicht in den Buchhandel gekommen.
  11. 11. Hyperboreische Briefe. Sechs Bändchen. Nürnb. b. Felsecker. 8. 1788--1790. [2]
  12. 12. Paragraphen. Erstes Bändchen. 331 S. 2tes Bändchen 294 S. Nürnb. b. Felsecker. 8. 1791. In der Folge erschienen: Paragraphen; aus Weckhrlins Nachlaß, herausgegeben von seinen Erben. 8. Altona. 1796. [3]
  13. 13. Ansbachische Blätter. 34 Nummern. Ansbach. 4. 1792. Eine politische Zeitung vom Jul. bis Oktober 1792.
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Fußnoten

  1. s. Allg. t. Bibl. B. 66. I. S. 286. B. 74. I. S. 297. u. B. 86. II. S. 590. Obert. Lit. Z. 1788. II. S. 1260. Nürnb. gel. Z. 1785. S. 559. Jen. Lit. Z. 1786. II. S. 393.
  2. s. Jen. Lit. Z. 1788. II. S. 626. u. 1791. I. S. 325. Obert. Lit. Z. 1788. II. S. 817. u. 1789. II. S. 221. Allg. t. Bibl. B. 98. II. S. 504. u. B. 114. S. 285. Nürnb. gel. Z. 1788. S. 331. u. 1790. S. 279.
  3. s. Erfurt. gel. Z. 1791. S. 389. Tüb. gel. Z. 1791. S. 139. Jen. Lit. Z. 1792. III. S. 365. u. 1793. II. S. 348.