Johann Christoph Gatterer (GND 115367918)

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Daten
Nachname Gatterer
Vorname Johann Christoph
GND 115367918
( DNB )
Wirkungsgebiet Wissenschaft


Johann Christoph Gatterer in der BSB

GATTERER (Johann Christoph) am 14. Jul. 1727 zu Lichtenau im Nürnbergischen gebohren, wo sein Vater unter der Festungs Militz diente, Nach absolvirten Gymnasial Klassen zu Nürnberg kam er im J. 1747 an die Universität zu Altdorf, wo er Philologie, Philosophie, Geschichte, und Theologie studierte. Im J. 1751 ward er Magister und Privatdocent, und 1752 als Lehrer an das Gymnasium nach Nürnberg berufen, und daselbst 1756 zum Conrektorat, auch zugleich am sogenannten Auditorium zum Professor der Reichshistorie und Diplomatik befördert. Er hatte sich im J. 1753 mit einer gebohrnen Schubertin verehelicht. Im J. 1758 nahm er, nach Köhlers Tod, den vorher schon einmal an ihn ergangenen Ruf zum ordentlichen Lehrer der Geschichte nach Göttingen an, wo er 1762 auch zum ordentl. Mitglied der dortigen teutschen Gesellschaft, so wie 1776 zum Mitglied der Königl. Societät der Wissenschaften ernannt wurde. Im J. 1764 stiftete er das historische Institut, wovon er 1767 Direktor wurde. Auch wurde er Königlich Grosbritanischer Hofrath, und Ehrenmitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften. Alls Professor hatte er eine ausserordentliche Celebrität, und der Beyfall seiner Schüler, vorzüglich in den ersten Jahren seines Lehramts, war so groß, daß, weil sein Hörsaal zu klein wurde, die Studenten auf Leitern von aussen, bey den geöffneten Fenstern seine Vorlesungen nachschrieben. Noch 1783 muste er wegen der großen Menge von Zuhörern die allgemeine Geographie zweymal unmittelbar nacheinander lesen; demungeachtet aber war sein Hof, und der Eingang vor dem Hörsaal, so wie jedes Fenster desselben auf der Straße von Zuhörern voll. Es vereinigte sich aber in Gatterer auch Alles, um einen höchst sorgfältigen Forscher in der Geschichte, und in der Erd- und Menschenkunde zu bilden. Ausser der lateinischen und griechischen Sprache verstand er die morgenländischen Dialekte, selbst das Armenische, und die Slavischen Sprachen. Eine hierdurch mögliche ausserordentliche Belesenheit in den Schriftstellern aller Zeiten: der Besitz aller historischen Hilfswissenschaften, der Genealogie, Heraldik, Numismatik, Diplomatik, Chronologie; das treueste Gedächtniß für die grosse Masse dieser Gegenstände, Scharfsinn im Vergleichen des Aehnlichen, und Ausforschen aus dem Dunkel zerstreuter Angaben; reifes Urtheil im Unterscheiden dessen, worauf es eigentlich ankömmt, und ein ernster eiserner Fleiß; alles dieses zusammen machte ihn zu dem, für seine Wissenschaft so wichtigen Manne. Will man das, was er der Wissenschaft der Geschichte leistete, im ganzen Umfange, und mit Gerechtigkeit schätzen; so muß man die allgemeine Geschichte nicht auf der Höhe denken, wo sie jetzt, und zum großen Theil durch sein Verdienst steht, sondern sich den noch niedrigen Standpunkt vergegenwärtigen, auf welchem sie sich damals in Teutschland befand. Sein Verdienst um die Geographie ist eben so groß. Diese, die bis dahin nur eine Sammlung einzelner Nachrichten über Völker, Länder, und Oerter war, wurde von ihm zu dem Range einer Wissenschaft erhoben. Er starb am 5. April 1799. Herr von Schlichtegroll sagt im Nekrolog von ihm: „Von seinem Charakter, seiner großen Rechtschaffenheit, seinem einfachen teutschen, Wesen, seiner seltenen Bescheidenheit, kann man nicht rühmliches genug sagen. Alle die kleinlichen Rücksichten, durch die bey dem zusammenwohnen so vieler Männer Eines Standes in derselben Stadt, das Leben der Professoren sich oft selbst verbittert, und in den Augen Anderer herabsetzt, kamen nicht in seine reine redliche Sele. Der Ruhm und der Vortheil der Universität Göttingen war ihm ein viel wichtigerer Gegenstand, als sein eigener Ruhm, sein Beyfall, oder Interresse. Er mischte sich in Nichts, was nicht zu seinen Studien oder zu seinem Amte gehörte; ja, er hatte eine gewisse Abneigung gegen Unterhaltungen über Neuigkeiten, die sonst ein allgemeines Interresse haben. Ohne ungesellig zu seyn, liebte er doch große Zirkel, und öfteres Besuchen der Gesellschaft überhaupt nicht. Er brachte gleichmüthig und gleichförmig seine Tage in seinem Arbeitszimmer zu. Erholung suchte und fand er in einem Spatziergang, und in seiner Familie, mit der er anfangs kümmerliche Zeiten durchleben muste, und sich dann der bessern freute. Er genoß das Glück, mehrere seiner Kinder, als des väterlichen Nahmens und Ruhmes, würdig gedeihen zu sehen. Voll Anhänglichkeit an die einfachen Sätze einer durch seine Studien aufgeklärten Religion, voll Gewissenhaftigkeit und Liebe für das Vaterland und seine Regierung, sah er mit Traurigkeit und Mißbilligung den Revolutionen zu, die am Abend seines Lebens in den Staaten, und manchen Wissenschaften mehr kühn, als weise unternohmen wurden, und er zog sich daher um so mehr in den friedlichen Kreis seiner Studien zurück.“ -- Sein Bildniß von C. Nauwerk gezeichnet, u. von F. W. Bollinger gestochen, befindet sich vor dem 46ten Band der Neuen allg. teutschen Bibliothek 1799, und von C. W. Bock gestochen in der Sammlung von Bildnißen gelehrter Männer. Seine Schriften:

Vergl. Elogium J. Ch. Gattereri a Chr. Gottl. Heyne. 1799. J. Chr. Gatterer, eine Skizze von G. W. Eichhorn. 1800. Kiefhabers Anzeigen 1799. S. 63. u. 150. Wills und Nopitsch Nürnb. Gel. Lexikon B. I. S. 510. u. B. V. S. 389--393. Wills Geschichte der Univers. Altdorf S. 143. Pütters Geschichte der Univers. Göttingen Th. I. S. 177. u. Th. II. S. 156. u. 407. Meusels gel. Teutschl. B. II. S. 490--494. Meusels Lexikon verst. Schriftst. B. IV. S. 32--36. Magazin neues Hannov. 1799. St. 45. S. 717--730. Bocks Sammlung von Bildnißen gel. Männer 1800. Heft 23. Schlichtegroll’s Nekrolog auf 1799. B. I. S. 1--24. Denkwürd. aus dem Leben ausgezeichneter Teutschen, im 18. Jahrh. S. 295--298. Anzeigen allg. literarischer 1800. n. 73. S. 722. Ersch Handbuch d. teutschen Lit. seit Mitte des 18. Jahrh. B. VI.

  1. 1. Theses inaug. ex omni philosophia selectae. 4. Altd. 1751.
  2. 2. Oratio de insigni providentia divini numinis, numinumque terrestrium in fovendis tuendisque musis. 4. ib. eod.
  3. 3. Nachricht von der Ausgabe einer Abhandlung de nobilitate patriciorum in germania. 1752.
  4. 4. De adornanda in posterum germania sacra medii aevi. 1752.
  5. 5. De ludo equestri ab Henrico VI. imp. anno 1297. Norimb. celebrato, ac de nobilitatis diplomate ab eodem imperatore patriciis Norimb. concesso, itemque de sigillo pervetusto Herdegeni Holzschuheri epistola. 4. Altd. 1752. Stehet auch in Martini thesauro dissertationum. Tom. I. Norimb. 1763.
  6. 6. Historia genealogica dominorum Holzschuherum ab Aspach, cuncodice diplomatico, multisque figuris in aere incisis. Tomus I. Fol. Nurimb. 1755. Das Manuscript vom 2ten, nicht im Druck erschienenen Theil, liegt bey der Holzschuherschen Familie.
  7. 7. Progr. de Gunzone italo, qui soec. X. obscuro in germania pariter atque in italia eruditionis laude floruit, ad illustrandum rei lit. statum soeculi X. Nürnb. b. Krauß. 4. 1756.
  8. 8. Oratio de artis diplomaticae difficultate 1756 habita, nunc vero in usum praelectionum edita, multisque observationibus locupletata. ib. 1757.
  9. 9. Handbuch der neuesten Genealogie und Heraldik vom Jahre 1759 bis 1772. Ist der fortgesetzte Weigelische Wappenkalender.
  10. 10. Progr. de Ludovico IV. infante, germaniae rege impubere. 4. Goett. 1759.
  11. 11. Vorrede zum 22ten Theil von Köhlers histor. Münzbelustigung. Nürnb. 1765.
  12. 12. Handbuch der Universalhistorie. Gött. 1761. des 2ten Theils erster Band. 1764. 2te Aufl. 1765.
  13. 13. Abriß der Heraldik in dem Wappenkalender vom J. 1763 4. 1764.
  14. 14. Historische Nachricht, sammt den Statuten des Jonathansordens, oder der Societè de la parfaite et veritable amitiè. Fol. Nürnb. 1764.
  15. 15. Abriß der Universalhistorie, nach ihrem gesammten Umfange von Erschaffung der Welt bis auf unsere Zeiten. 8. Göttingen. 1765. 2te umgearb. Aufl. eb. 1773.
  16. 16. Elementa artis diplomaticae universalis. Volumen I. ib. 4. 1765. Mit 12 Kupfern.
  17. 17. Synopsis historiae universalis sex tabulis comprehensa. Fol. Göttingen b. Dietrich. 1766. editio auctior. 1769.
  18. 18. Allgemeine historische Bibliotheck. 8. Halle b. Gebauer. XVI. Bände. 1767--1771. In Gesellschaft mehrerer Mitarbeiter.
  19. 19. Münchhausen, eine Vorlesung. Gött. 1770.
  20. 20. Einleitung in die synchronistische Universalhistorie, zur Erläuterung seiner Tabellen. Gött. b. Vandenhök. 2 Theile. 1771.
  21. 21. Versuch einer allgemeinen Weltgeschichte bis zur Entdeckung Amerikas. Ankündigung eb. 1772.
  22. 22. Ideal einer allgemeinen Weltstatik. eb. 1773.
  23. 23. Abriß der Heraldik. eb. 1773. Neue verb. Aufl. 1792. [1]
  24. 24. Antwort auf die Schlötzerische species facti. eb. 1773.
  25. 25. Historisches Journal, von Mitgliedern des K. histor. Instituts zu Göttingen. ebend. 1772--1781. XVI. Theile Mit mehreren Mitarbeitern.
  26. 26. Epitome artis diplomat. Gött. 1773. Editio nova et compl. cur. Corbinian. Gärtner. Salzburg. b. Zaunrieth. 1806.
  27. 27. Abriß der Geographie. Gött. b. Dietrich. 1775. Wurde ins Holländische übersetzt: Schels de Aardrychskunde. Utrecht. 1790.
  28. 28. Abriß der Chronologie. Gött. 1777.
  29. 29. Memoria Seculi Hildebrandini. ib. 1782.
  30. 30. Kurzer Begriff der Weltgeschichte. Erster Theil. ebend. 8. 1785. 316. S. [2]
  31. 31. Weltgeschichte in ihrem ganzen Umfange. Erster Theil, von Adam bis auf Cyrus. 8. Gött. 1785. 663. S. Zweyter Theil, von Cyrus bis zur Völkerwanderung. Auch unter dem Titel: Des 2ten Theils erstes Stück, Perser und Griechen. eb. 1787. 242. S. [3]
  32. 32. Kurzer Begriff der Geographie. Erster Band, welcher von der Erde u. ihren Bewohnern überhaupt, und von Europa insonderheit handelt. 8. Gött. 1789. 381. S. 2ter Band, welcher Asien, Afrika, Amerika u. Australien enthält. eb. 1789. 2te verm. Aufl. eb. 1793. 928 S. Wurde ins Holländische übersetzt. [4]
  33. 33. Abriß der Genealogie 8. Gött. 1788. 159. S. [5]
  34. 34. Stammtafeln zur Weltgeschichte, wie auch zur Europäischen Staats- und Reichshistorie. Erste Sammlung. 32 Tabellen. Gött. 4. 1790. [6]
  35. 35. Praktische Heraldik. Mit 6 Kupf. Nürnb. b. Bauer und Mann. 1791. 150. S. [7]
  36. 36. Versuch einer Weltgesch. bis zur Entdeckung von Amerika. 8. Gött. 1792. 861. S. [8]
  37. 37. Abriß der Diplomatik. Mit 12 Kupf. eb. 1798. 374. S. [9]
  38. 38. Praktische Diplomatik, mit 15. Tab. eb. 1799. 259. S. [10]
  39. 39. Versuch über die Landkarten; in der Vorrede vor Band 32. der allgemeinen Welthistorie Halle 1768. Ueber einige geographische Dinge, Vorrede von B. 33. ebend. 1770. Von der historischen Benutzung der Sprachen, Vorrede zu B. 34. Von der historischen Erziehung, Vorrede zu B. 35.
  40. 40. Vorrede zu Joh. Georg Franks praelus. chronol. fund. 1774.
  41. 41. Ueber die Manethonischen Dynastien; im encyclop. Journal. 1775. St. 8.
  42. 42. Vorrede zu Frankii Novum Systema Chronologiae fundamentalis. 1778.
  43. 43. De Chronologia Brahmannum commentatio prior; in nov. comment. Societatis Götting. 1778. B. 8.
  44. 44. De linquae germanicae epocha diplomatica, in comment. ejusdem Soc. 1779,
  45. 45. De anno meteorologico fundamentali ibid. 1780.
  46. 46. De Herodoti ac Thucydidis Thracia. ibidem. 1781--1784.
  47. 47. Gatterers Abhandlung von Thracien, nach Herodot u. Thucydides, aus dem Latein übersetzt, und mit einer Uebersicht u. Registern begleitet von H. Schlichthorst. 8. Götting. b. Dietrich. 1800. 154. S. [11]
  48. 48. De diplomatibus confirmationis; in den novis commentariis societ. Götting. 1777. B. 7.
  49. 49. De epocha linquae Theotiscae in publicis imperii constitutionibus, in Commentationibus ejusd. societ. 1780.
  50. 50. Commentationes II. de Theogonia Aegyptiorum ad Herodoti lib. 2. cap. 145. I. de tribus Deorum classibus in genere. II. de singulis singularum classium diis ac deabus; ibid. 1785. B. 5 et 7.
  51. 51. De methodo aetatis codicum manuscr. definiendae; ibid. 1785 et 1786.
  52. 52. Commentatio de Metempsychosi immortalitatis animorum symbolo aegyptiaco ad Herodoti lib. 2. cap. 122. et 123. ibid. 1788 et 1789.
  53. 53. De insignibus Austriaco-Ungaricis; ibid.
  54. 54. De aquilae imperialis origine; ibid.
  55. 55. An Russorum. Polonorum, ceterorum que populorum Slavicorum originem a Getis sive Dacis liceat. repetere? ibid.
  56. 56. Gatterers Abhandlung über die Frage: ob die Russen, Polen, u. übrige Sclavische Völker von den Geten oder Daciern abstammen? Aus dem Latein übersetzt v. Schlichthorst. 8. Bremen 1805.
  57. 57. Vorrede zu Schlichthorst geographia Homeri 1787.
  58. 58. Eine Vorlesung über Jubelfeyer und Jubelmünzen; in den Schriften der akademischen Götting. Jubelfeyer. 1787.
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Fußnoten

  1. s. Obert. Lit. Z. 1794. II. S. 565.
  2. s. Jen. Lit. Z. 1786. I. S. 118. Gött. gel. Z. 1785. III. S. 1646.
  3. s. Jen. Lit. Z. 1785. III. S. 270. Gött. gel. Z. 1785. III. S. 1642. Leipz. gel. Z. 1785. IV. S. 1869. Nürnb. gel. Z. 1785. S. 701. Tübing. gel. Z. 1785. S. 755. Greifswalder krit. Nachr. 1786. S. 185. Allg. teutsche Bibl. B. 79. I. S. 143. u. Anh. z. B. 53--86. II. S. 802.
  4. s. Obert. Lit. Z. 1793. I. S. 679. Jen. Lit. Z. 1790. I. S. 14. Allg. teutsche B. 1792. II. S. 492. Neue allg. teutsche B. 23. II. S. 387. Gött. gel. Z. 1789. III. S. 1761. Gotth. gel. Z. 1789. II. S. 552. Tübing. gel. Z. 1790. S. 324.
  5. s. Gött. gel. Z. 1788. II. S. 785. Allg. teutsche Bibl. B. 115. II. S. 457. Jen. Lit. Z. 1788. III. S. 62.
  6. s. Allg. teutsche Bibl. B. 117. II. S. 461. Obert. Lit. Z. 1794. II. S. 564.
  7. s. Jen. Lit. Z. 1791. IV. S. 182. Allg. teutsche Bibl. B. 106. II. S. 461. Leipz. gel. Z. 1791. II. S. 542. Nürnb. gel. Z. 1792. S. 32. Würzb. gel. Z. 1796. II. S. 559.
  8. s. Gött. gel. Z. 1792. II. S. 753. Jen. Lit. Z. 1793. I. S. 249. Obert. Lit. Z. 1793. I. S. 676. Leipz. gel. Z. 1793. IV. S. 730.
  9. s. Schönemanns Bibl. B. I. S. 261. Gött. gel. Z. 1798. II. S. 1266. Jen. Lit. Z. 1798. III. S. 489. Obert. Lit. Z. 1798. I. S. 705. Erfurt. gel. Z. 1798. S. 600.
  10. s. Jen. Lit. Z. 1799. III. S. 529. Gött. gel. Z. 1799. II. S. 1217. Erlang. Lit. Z. 1800. I. S. 793.
  11. s. Jen. Lit. Z. 1801. III. S. 150. Neue allg. teutsche Bibl. B. 65. I. S. 162.